Künstliche Intelligenz mit SAP Leonardo, Salesforce Einstein und IBM Watson – große Namen, nix dahinter?

MockUp: dotSource
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Künstliche Intelligenz (KI) ist ein riesiges Trendthema mit vielen Facetten. Künstliche Intelligenz gewinnt beim Schach und GO. Mit Sensoren, Algorithmen und Motoren fährt KI Kraftfahrzeuge autonom. Im Orbit des KI-Buzzwortes ziehen die Themen Machine-Learning und Deep-Learning ihre Bahnen und kreuzen dabei den Weg des altbekannten Satelliten Big-Data. Hinzu kommen künstliche neuronale Netzwerke. Mit jenen Begriffen und den damit verbundenen Heilsversprechen lassen sich hervorragend Marketingmaterialien befüllen, die verkürzt meistens lauten: „Die KI löst Ihre Herausforderungen im Handumdrehen!“
 
Kaum ein Technologiethema ist dabei so vermenschlicht, wie künstliche Intelligenz. Damit meine ich nicht nur die Namen, mit denen beispielsweise SAP, Salesforce und IBM ihre KIs schmücken (Leonardo, Einstein und Watson). Die Vermenschlichung liegt in der Sache selbst: Man beobachtet Roboter dabei, wie sie wie Kinder durch unzähliges Scheitern das Laufen erlernen. Wir fragen uns, ob Algorithmen eine feste Moral implementiert haben müssen bzw. ob sie diese menschliche Facette auch selbst erlernen werden. Wäre ja gut zu wissen, wen und aus welchen Gründen die Maschine tötet oder nicht, wenn sie die Entscheidung treffen muss. Nicht zu vergessen die Angst, ob die künstliche Moral auch unseren Moralvorstellungen entsprechen würde.
 
Geprägt von Zukunfts-Dystopien aus Hollywood und aktuellen Bots, die Meinungsführerschaft und -manipulation beanspruchen, kann man Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller ihre Skepsis gegenüber künstlicher Intelligenz kaum übel nehmen. Darüber hinaus befinden sie sich mit Seriengründer Elon Musk ebenso wie mit digital-affinen Nerds und Geeks in bester Gesellschaft. Andererseits ermöglicht es künstliche Intelligenz beispielsweise frühzeitig Krebs zu diagnostizieren.
 
Wo, in diesem weiten Feld zwischen künstlichem Menschsein und smarten, datengetriebenen Helfern finden KI-gestützte Commerce-Anwendungen ihren Platz? Zeit, einmal die großen Drei der Business-KIs von SAP, Salesforce und IBM näher zu beleuchten.

SAP – Leonardo

Auch, wenn SAPs Leonardo weniger bekannt ist als IBM-Watson lohnt es sich aus verschiedenen Gründen die SAP-KI als Erste zu betrachten. Zunächst ist es SAPs Vorherrschaft im deutschsprachigen Raum in puncto Business-IT. Zum anderen ist es die Namenswahl: Leonardo.

SAP Leonardo bezieht sich auf den Renaissance-Universalgelehrten Leonardo da Vinci. KI ist für SAP also nicht weniger als die digitale Renaissance. Was einst die Brücke zwischen Mittelalter und Neuzeit war, ist nun die Brücke zwischen analog und digital. Marketing 1 plus mit Sternchen. Bei SAP bäckt man eben keine kleinen Brötchen.

Ebenfalls bemerkenswert ist SAPs Fokus auf Infrastruktur. In der Business-IT waren sie die ersten, die das BigData-Buzzwort geprägt haben. Das Ganze auf dem Rücken der in-memory-Datenbank SAP-HANA. Wichtig ist das vor allem, da es die Hardwareabhängigkeit verdeutlicht, die benötigt wird, um aus gigantischen Mengen unstrukturierter Daten Strukturen und Informationen zu gewinnen. Für Business-Anwender heißt das gleichzeitig: Keine SAP-KI ohne SAP in-memory Cloud-Plattform. Unternehmen, die auf eigenes Hosting und on-premise-Lösungen setzen müssen, schauen bei KI – allerdings nicht nur bei SAP – in die sprichwörtliche Röhre.

SAP Leonardo: KI-Fundament plus Industriefokus

Quelle: SAP
Quelle: SAP

Im Fundament setzt SAP auf das Who-is-Who des Branchen-Buzzwort-Bingo. Das heißt nicht, dass es nicht funktioniert! Im Kern gibt es Leonardo:

  • Internet-of-Things
  • Machine-Learning
  • Analytics
  • Big Data
  • Blockchain
  • Design Thinking and consulting Services

Letztere gehören dabei nicht zur SAP Cloud Plattform. Eine individuelle Kombination der Leonardo-Services ergibt dann die „Industry Accelerators“ beispielsweise für Chemicals, Utilities, Retail oder Manufacturing.

Konkret lässt sich daraus ableiten, dass die SAP-KI-Lösung zur Zeit mit ihren Aufgaben wächst. Business-Lösungen werden kundenspezifisch entwickelt. Soll heißen: Klar ist SAP in der Lage Hard- und Software so zusammenzuschrauben, dass konkrete Geschäftsfragen komplexer betrachtet werden können. Advanced und Predictive Analytics ist hier das Stichwort. Beispielsweise: Was würde passieren, wenn ich Mobile-Kunden anderen Content zeige, als kaufinteressierten Desktop-Nutzern? Auch die Produktentwicklung durch die Analyse unzähliger komplexer Testergebnisse kann von der SAP-KI profitieren.

Die zentrale Position der Design-Thinking-Services lässt jedoch darauf schließen, dass erfolgreiche künstliche Intelligenz unvoreingenommene menschliche Intelligenz voraussetzt. Welche Daten sollen verknüpft werden? Welche Fragen gilt es zu stellen? SAP-Leonardo ist daher keineswegs eine Plug&Play-Lösung. Doch zur Rettung vorab: Das sind die Wettbewerber auch nicht.

Salesforce – Einstein

In den Markt für Business-Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz ist auch Salesforce eingestiegen. Vormals ein reines CRM hat man in den letzten Jahren klug hinzugekauft, um ein ganzheitliches Lösungsportfolio anbieten zu können. Insbesondere den Kauf von Demandware hat sich Salesforce im letzten Jahr über 2 Milliarden Dollar kosten lassen. Die Lösung heißt heute Salesforce Commerce Cloud.

In puncto Namenswahl und Marketing lässt man auch beim Cloud-Anbieter nichts anbrennen. Albert Einstein steht Namenspatron und soll die Commerce- und Digital-Business-Welt ebenso bahnbrechend verändern, wie einst durch die Entwicklung der Relativitätstheorie. Glücklicher Nebeneffekt: Einstein ist als Meme schon längst in der Popkultur etabliert. Auf dieser positiven Emotion lässt es sich leicht werben.

Wie auch SAP setzt Salesforce auf die Stärke der Cloud. Wenig verwunderlich, ist die CRM-Lösung von Beginn an eine Web-Applikation. Salesforce bleibt sich in Sachen Infrastruktur treu, gerät so aber auch nicht in Erklärungsnot gegenüber potentieller Kunden, die nicht auf die IT-Wolke setzen wollen.

Salesforce Einstein: Versprechen werden endlich wahr?

Quelle: salesforce
Quelle: salesforce

Wenig überraschend ist Salesforce Einstein weniger breit im Business aufgestellt, als SAP. Der Fokus liegt direkt auf den hauseigenen Produkten. Einstein ist erhältlich für:

  • Sales Cloud
  • Service Cloud
  • Marketing Cloud
  • Commerce Cloud
  • App Cloud

Was unterscheidet Salesforce Einstein also von den alten Heilsgeschichten der CRM-Systeme? Schließlich ist das Versprechen, man könne Hot-Leads mit Hilfe von Dashboards und Automation schneller und besser konvertieren, nicht neu. Auch Effizienzsteigerung der eigenen Marketing-, Vertriebs- und Servicemannschaft ist es nicht.

Das Novum ist der vollständige Ansatz der „single-source-of-truth“, der Datenqualität und Datenhoheit. Im aktuellen Salesforce-Portfolio lässt sich das eher sicherstellen, als zu Zeiten der CRM-standalone-Lösung. Durch weniger Fehler in der Datenaufbereitung lassen sich klar hochwertigere Analysen realisieren, als zuvor. Der Kundenservice hat tatsächlich alle relevanten Informationen zur Kundenanfrage. Das Marketing-Team hat wirklich wertvolle Segmente für ihre Kampagne, die automatisch in Marketingmaterialien und im Shop-FrontEnd landet. Die Summe der Erfahrungen der Commerce Cloud-Kunden bietet nun tatsächlich wertvolle Empfehlungen für Händler.

Ist Salesforce Einstein also so bahnbrechend, wie die Relativitätstheorie des prominenten Namensgebers? Jein. Auch mit Einstein brauchen Händler eine intensive Vorphase, um die menschliche Intelligenz mit den Potentialen der automatischen Datenanalyse abzugleichen. Ob Salesforce damit jedoch tatsächlich den Data-Scientist im Unternehmen überflüssig macht, oder ihm/ihr damit ein mächtiges Tool bereitstellt, muss sich zeigen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist für Händler im Gegensatz zu SAP allerdings sehr attraktiv.

IBM – Watson

Wer hätte erwartet, dass es IBM im Jahr 2017 noch gibt? Von Lochkarten über Kugelkopfschreibmaschinen bis zum IBM-PC hat man es immer wieder geschafft die Welt zu verändern und sich nicht verdrängen zu lassen. Business-IT ohne IBM? Kaum vorstellbar.

Ungewöhnlich ist auch die Namensgebung der künstlichen Intelligenz. Watson bezieht sich auf den ehemaligen IBM-Geschäftsführer Thomas J. Watson, der die Geschäfte zwischen 1914 und 1955 verantwortete. Von ihm soll auch das Zitat von 1943 stammen, dass es einen weltweiten Markt für vielleicht fünf Computer gäbe. Wenn das der Qualitätsanspruch von Voraussagen durch künstliche Intelligenz bei IBM wäre, müsste man jetzt nicht darüber schreiben. Es zeigt allerdings, dass das IBM-Marketing Mut und Humor hat.

Im Vergleich SAP, Salesforce und IBM haben Letztere die größte Erfahrung in puncto künstliche Intelligenz. Nachdem Deep Blue in der Lage war Schachweltmeister zu schlagen, hat sich Watson zum Vorzeigeprojekt und Innovationszentrum entwickelt. Ebenfalls in der Cloud beheimatet, unterscheidet sich die IBM-Lösung jedoch durch Offenheit vom Wettbewerb. Watson ist ein API-getriebenes Ökosystem.

IBM Watson: Cognitive Computing als Ziel

Quelle: IBM
Quelle: IBM

Wie auch SAP durchdringt IBM jeden Wirtschaftszweig. Von E-Health-Anwendungen über ChatBots gibt es bei IBM vier große Watson-Themenbereiche:

  • Watson Virtual Agent
  • Watson Discovery
  • Watson Conversation
  • Watson Knowledge Studio

Am ehesten vergleichbar mit dem Salesforce Angebot sind die IBM Cognitive Solutions. Hier gibt es Angebote für Marketing, Commerce und Supply.

Der Vorteil der IBM-KI liegt definitiv in seiner Offenheit. Als API-getriebenes SaaS-Produkt können die Watson-Dienste ohne große Eingriffe in die bestehende Systemlandschaft vorgenommen werden. Theoretisch! Ohne Datenkonsolidierung und klare Datenprozesse spuckt auch Watson keine wertvollen Informationen aus.

Die Hürde einen ChatBot im Rahmen eines MVP zu bauen oder Business-Analytics im großen Stil zu strukturieren ist niedrig. Damit unterstützt IBM die nötige Experimentierfreude, die es in Unternehmen braucht, wenn es um digitale Innovation geht.

Wie intelligent ist KI?

Klar, künstliche Intelligenz ist mehr als SAP, Salesforce und IBM. Aus Commerce-Perspektive spielen Player wie Google jedoch nicht nur in einer anderen Liga – es handelt sich um einen anderen Sport! Was allen Lösungen jedoch gemein ist: Sie brauchen Daten. Sehr! Viele! Daten! Die komplexen Algorithmen und Modelle entfalten ihre Mehrwerte es bei großen Datenmengen. Stehen diese nicht zur Verfügung sollte man vorsichtig sein von künstlicher Intelligenz zu sprechen.

KI ist ein Trendthema und als solches ein Trittbrett für Marketing-VooDoo. Zu unterscheiden gilt, ob ein System tatsächlich lernt oder ob es nur sehr viele Regeln hat nach denen es handelt. Regelbasiertes, automatisiertes Marketing hat bisher eher gar Nichts mit Intelligenz zu tun. Intelligenz findet man dort eher bei den verantwortlichen Mitarbeitern, denn die wenigstens Tools übernehmen bisher das Denken für uns!

Weil das so ist, bauen die Anbieter explizit Design Thinking und andere Erkenntnismethoden in ihre Projekte ein. Erst, wenn die Anwender altes Wissen verlernen und neue Denkmuster zulassen, sind sie in der Lage kollegial mit smarten Algorithmen zusammenzuarbeiten und ihr Potential zu nutzen. Daten sind das neue Öl, aber Intelligenz ist das neue Benzin. Unternehmen sollten somit eher darauf Wert legen Daten- und Informationsgetrieben zu agieren, als sich auf die goldene Zukunft der künstlichen Intelligenz zu verlassen.

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